Weil ich es gerade mal wieder – bei einem hochdekorierten Preisträger! – gefunden habe: es gibt nach wie vor WebDesigner die glauben, die Webwelt bestehe aus ihrer (beschränkten) Produktionsumgebung. Oder dem was Aldi verkauft. In der Konsequenz verlangt das nichts anderes als daß der Anbieter des Produkts als erstes nicht sein Produkt kommunizieren kann, sondern seiner Kundschaft Rahmenbedinungen diktieren muß. Oder gleich auf deren Besuch verzichtet. Beide Alternativen sind unter Marketinggesichtspunkten eine schlichte Katastrophe. Kunden wünschen bedient zu werden, nicht belehrt oder gar abgewiesen. Wie würden Sie empfinden, wenn Ihnen vor dem Supermarkt ein Türsteher erklärt das Sie nur unter diesen oder jenen Bedingungen hier einkaufen könnten?
Wir diskutieren mit einigen Kollegen. Und immer wieder mit welchen, die glauben an dieser Stelle die Statistiken auf ihrer Seite zu haben. Über den Verbreitungsgrad dieses oder jenes Betriebssystems, des Browsers XYZ, die Bildschirmauflösung 08/15 und des Sowieso-PlugIns.
Ok, reden wir über Statistik:
Blenden wir die auch in diesem Fall völlig richtige Weisheit Winston Churchills Man kann nur einer Statistik trauen, die man selbst gefälscht hat einmal komplett aus. Versuchen wir einfach den höchstmöglichen Verbreitungsgrad für die häufigst unterstellte Umgebung zu errechnen:
- aktueller Internet Explorer (ab Version 5 und neuer)
- unter Windows (wir nehmen alles mit: 3.x, 95, 98, ME, 2000, NT, XP)
- bei einer Bildschirmauflösung von mindestens 1024 x 768 Pixeln
- mit installiertem Macromedia Flash-PlugIn, wahlweise aktiviertem JavaScript
Unterstellen wir Windows einen Marktanteil von 90% (genaue Zahlen für Desktop Betriebssysteme sind leider nirgends zu bekommen – wahrscheinlich aus gutem Grund nicht mal von Microsoft selbst). Auch für die Browserverteilung gehen wir von 90% aus . Ebenso nehmen wir für Bildschirmauflösungen von 1024 x 768 und höher einen Verbreitungsgrad von 90% an. Bei der Auswahl zwischen Pest und Cholera Flash und JavaScript entscheiden wir uns für Flash und übernehmen die 97% Verbreitungsgrad die Macromedia von sich selbst behauptet.
Jetzt wird’s spannend
Nach einfachen Rechenregeln und der Annahme einer statistischen Normalverteilung macht das: 0,9 * 0,9 * 0,9 * 0,97 = 0,70713 oder großzügig gerundet: 71%! Nochmal: sämtliche Basiszahlen sind mit hoher Unsicherheit behaftet. Aber selbst wenn man einen »Sicherheitsaufschlag« dazu nähme und mit 0,95 * 0,95 * 0,95 * 0,99 rechnete, würden »nur« knappe 85% herauskommen. Das Szenario das eintritt, wenn die Zahlen schlechter sein sollten, mag sich jeder selbst ausmalen.
Sind 85% viel?
Nein, es sind glatte 15%, die an vollständiger Zugänglichkeit fehlen. Mal ehrlich: welcher klug rechnende Geschäftsmann kann es sich heutzutage leisten auf 15 oder gar 30% seiner potentiellen Kundschaft, seiner Umsätze, seiner Gewinne zu verzichten? Die Antwort ist ebenso einfach wie die Lösung für das oben beschriebene Dilemma: Verlangen Sie als Kunde von ihrem WebDesigner Seiten die auf allen Browsern, auf allen Betriebssystemen, bei allen Bildschirmauflösungen – richtiger sogar auf allen Ausgabegeräten, es gibt mehr als nur optische Ausgabegeräte! – mit allen Systemumgebungen funktionieren. Nicht auf einigen. Nicht auf den meisten. Auf allen! Der Aufwand für solche Seiten ist nicht größer als für das was die »optimiert für«-Fraktion abliefert.
diese Seite bedarf keines Kommentars – Herr Kremer hat einfach Recht.
war ich vor wenigen Jahren auch geneigt, „nur noch für den IE“ zu designen, musste ich inzwischen lernen, dass barrierefreies Surfen tiefer greift als der oberflächliche IE darstellt.
und wenn derzeit Firefox der vielleicht beste Browser ist wird es morgen ein anderer sein: also muss die Site auf beliebigem Ausgabemedium arbeiten (s. Kremer)
haben sie ihre optimierte seite schon mal unter netscape 4.75 angeshen?
wenn das optimiert ist – gute nacht webdesign-kunde
Na klar schauen wir uns auch alle unsere Seiten in NN4 an. Dummerweise ist dort die CSS-Unterstützung so rudimentär, das wir ihn als Text-only-Browser behandeln müssen. Sprich: die Inhalt kommen rüber, lediglich die Optik geht (leider verloren). Aber das tut’s auch bei einem Lynx oder W3M. Ergo: unserem Anspruch an »muß funktionieren« werden wir gerecht. BTW: eine eMail-Adresse zu hinterlassen über die wir das bilateral klären könnten, wäre ein feiner Zug. So kommt leider das schale Gefühl des »ich will hier eh nur rummaulen« auf.
Zur Grundsätzlichen Frage: „Welcher klug rechnende Geschäftsmann kann es sich heutzutage leisten auf 15 oder gar 30% seiner potentiellen Kundschaft, seiner Umsätze, seiner Gewinne zu verzichten?“