Windows Branchensoftware auf dem Mac?

Eigentlich sollte eine Glaskugel als Icon hier neben der Überschrift erscheinen, denn entgegen der bisherigen Gepflogenheiten kommt jetzt der Praxisreport nur am Rande und stattdessen vielmehr ein Blick in die Zukunft.

Mit der gestrigen Veröffentlichung von Bootcamp liefert Apple einen offiziellen Weg für die parallele Installation von Mac OS X und Windows XP auf den neuen Intel-Macs. Und wo XP läuft steht natürlich auch der komplette Software-Markt an Windows-Applikationen mit einem Schlag offen. Laut einer Studie von Pfeiffer Research werden nach gängiger Meinung in den meisten Unternehmen Windows-Rechner für die Büroarbeiten benutzt, Macs dagegen eher in den Kreativ-Abteilungen. Pfeiffer fand jedoch heraus, daß Macs tatsächlich meist in Bereichen eingesetzt werden, die unter Termindruck arbeiten müssen. Und der ist zwischenzeitlich allgegenwärtig! Der überwiegende Grund für die Beschaffung eines Windows Rechners liegt meiner Meinung nach bisher darin, das in vielen Fällen die Notwendigkeit besteht branchenspezifische Software zu betreiben. So spezifisch, das diese Software nicht oder nicht in vergleichbarer Qualität für MacOS zur Verfügung steht. Auch die bisherigen Möglichkeiten über eine PC-Emulation wie VirtualPC, iEmulator, GuestPC, Bochs, QEMU, WinTel waren keine wirkliche Lösung da eine komplette PC-Hardware nachgebildet werden mußte, was erheblich auf die Performance schlug. Selbst eine einfache Warenwirtschaft mit geringen Anforderungen an Oberfläche, Speicher und Prozessor waren damit so schaumgebremst, das ein produktives Arbeiten nur schwer möglich war.

Macht Bootcamp nun alles besser?

Jein. Immerhin: die Applikationen laufen schnell, wesentlich schneller als in einer Emulation. Die Mutmaßung darf erlaubt sein: sogar schneller als auf PCs! In einem Test von Gearlog lief Photoshop in der Windows Version auf den neuen Intel-Macs schneller als auf vergleichbaren PCs. Viele andere branchenspezifische Applikationen kommen mit deutlich geringeren Ressourcen als Photoshop aus, die Tendenz sollte sich also extrapolieren lassen. Das große Aber: Bootcamp liefert nur eine Dual-Boot-Lösung. Wer z.B. seine Internetumgebung aus Sicherheitsgründen auf Mac OS X aufbaut, dort Mail, Browser, Newsreader etc. betreibt und die Warenwirtschaft unter Windows XP vorhält, wird nicht mal eben die Bestellung die per eMail reingekommen ist in seinen Auftragsbestand übernehmen können. Inhalt der Mail in einem für Windows zugänglichen Teil der Platte abspeichern, Rechner neustarten, Windows statt MacOS booten und dann erst die Daten ins Bestellsystem übernehmen. Auch wenn der Bootvorgang der Intel-Macs verglichen mit den PPC Macs schneller ist, produktives Arbeiten ist so nicht möglich.

Virtualisierung als Erlösung in Sicht

Eine wirklich handhabbare, geschmeidige Lösung wird nur durch eine Virtualisierungsschicht möglich sein. Ansätze dafür sind bereits heute massig erkennbar. Die verbauten Intel Chips selbst liefern eine solche Virtualisierungsmöglichkeit mit, die bisher jedoch noch nicht genutzt wird. Einen ersten Ansatz zur Nutzung liefert gerade die Parallels Software »Workstation«. In der PC Welt ist VMWare schon lange ein wichtiger Player wenn es darum geht mehrere virtuelle Maschinen mit unterschiedlichen Betriebssystemen auf einem Rechner abzubilden. Auch für VMWare könnte eine Intel-Mac Version denkbar sein. Kaum ausgesprochen ist es soweit: Mitteilung von MacRumours um 13:38 MESZ: VMWare arbeitet angeblich an einer OS X Version. Das Darwine-Projekt mußte sich bis vor kurzem nicht nur mit der Abbildung der Windows-API beschäftigten, sondern auch noch den Transfer auf den PPC Prozessor darstellen. Mit dem Intel Unterbau und dem ersten offiziellen Release von Wine ist auch hier ein Weg erkennbar, der die Koexistenz von Windows und Mac OS X Applikationen innerhalb eines Betriebssystems möglich macht. Selbst Microsoft muß nachlegen, da Virtual PC aktuell nicht auf den Intel Macs läuft. Auch hierzu existieren Spekulationen das VPC für den Intel Mac keine Emulation mehr sein wird, sondern eine Virtualisierung die direkt auf der Hardware aufsetzt. Und nicht zuletzt steht mit OS X 10.5 Leopard das nächste Release an, dem ebenfalls virtuelle Maschinen ab Werk nachgesagt werden. Bootcamp ist da sicher nur der Vorgeschmack.

Ich wage mal die Prognose, das innerhalb des nächsten halben Jahres mindestens eines der o.g. Szenarien zur Verfügung stehen wird. Das eine oder andere vielleicht etwas schneller, ein anderes dafür vielleicht etwas gründlicher und stabiler und ein drittes vielleicht etwas kostengünstiger als die anderen. Egal wie: Nach diesem Sommer wird niemand mehr einen vernünftigen Grund haben einen Windows PC zu kaufen! PC Software wird auf dem Mac laufen. Die ständigen Verzögerungen und schon erkennbaren Unzulänglichkeiten von Windows Vista sind dann nur noch der Brandbeschleuniger für den sich dann merklich verlangsamenden PC-Markt.

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