Corona in Nairobi

Nein, wir sprechen nicht über das Bier. Und eigentlich auch nicht nur über Corona in Nairobi, sondern über die komplette Situation in Kenia. Auch wenn das im Moment im wesentlichen die Ballungszentren Nairobi und Mombasa mit dem anhängenden Küstenstreifen betrifft.

Freitag, der 13.

Seitdem ist der erste Coronafall in Kenia bekannt. Eine Dame aus Kenia, die aus den USA via London mit dem Flieger heimkehrte. Zwischenzeitlich sind 2 weitere, bestätigte Fälle dazu gekommen. Insgesamt 20 sind unter Verdacht. Die Reaktion der Regierung kam recht zügig: Grenzen dicht für Einreisende aus Risikogebieten, Empfehlung (!) zu social distancing und Händewaschen, Selbst-Quarantäne für Heimkehrer aus Risikogebieten, Ausbildung für Krankenhauspersonal, Hotline für die Meldung von Coronafällen.

Das kam wie gesagt schnell, ist – wie wir wissen – aber erst ein Anfang. Erst recht, wenn man sich die Umsetzung ansieht:

  • Zu Hause bleiben ist für die meisten nicht. Zum Teil aus wirtschaftlicher Notwendigkeit – nicht wenige leben von Zahltag zu Zahltag und bei einigen ist der täglich. Zu einem anderen Teil aufgrund fehlender Remote-Work Infrastuktur – da sind kenianische Unternehmenskulturen in einigen Bereichen keinen Deut besser oder schlechter als in Deutschland. Und zu einem ebenfalls nicht zu unterschätzenden Teil auch aus Ignoranz
  • Die Kinder sind zwar nicht in der Schule, sind aber weiterhin draussen und in Horden. Nichts gewonnen.
  • Menschenansammlungen werden auch durch mangelhafte Kommunikation nicht wirklich vermieden. Beispiel gefällig? Ich war gestern beim Immigration Department. Lange Schlange voller Non-Kenians aus allen Kulturkreisen. Die die, wie ich eine Verlängerung des Visums beantragen wollten, wurden vom Wachpersonal nach Hause geschickt. Begründung: es werden derzeit keine Verlängerungen ausgestellt, ggf. illegaler Aufenthalt wird geduldet. Dennoch stehst Du da erstmal ’ne halbe Stunde in der Herde und hast ggf. Corona-Party.
  • Händewaschen gehört in Kenia an sich schon zu jeder Mahlzeit dazu. Das Thema bisher ist zwar „food safety“, aber den Switch nun das wegen Corona in Nairobi schon vor das Essen in das Betreten des Restaurants zu tun bekommen nicht alle hin.
  • Das Krankenhauspersonal im Umgang mit Corona trainiert wird, nachdem der erste Fall da ist, muss man eindeutig als komplett blauäugig bezeichnen. Das ist schon fast die gleiche Liga wie die weit und gerne verbreitete Annahme, dass „schwarzes“ Blut gegen Corona immun sei.

Die Konsequenzen

Entsprechend unvorbereitet sind die Krankenhäuser in der Tat. Mein Fast-Schwägerin war gestern auf Abenteuerreise in gleich zwei Bezirkskrankenhäusern. Beide verfügten über keine Test- oder Quarantänemöglichkeiten. Beim zweiten wurde immerhin eine allgemeine Untersuchung vorgenommen (und Corona ohne Test erstmal ausgeschlossen) und Medikation verschrieben. Die Hotline ist wahlweise unbesetzt, überlastet oder gibt wenig verlässliche Auskünfte.

Immerhin untersagte der County Governor von Mombasa relativ strikt die üblichen Ansammlungen und schloß konsequent Bars, Restaurants und Diskotheken. Ebenso fallen die Flüge von Kenia Airways nach Malindi ersatzlos aus. Dazu sollte man wissen, das größere Teil der Küstenregion fest in italienischer Hand sind. Sowohl was die Besucher als auch die Hotel- und Restaurantbesitzer angeht. Und wenig überraschend sind auch die beiden Coronafälle auf den benachbarten Seychellen zwei italienische Touristen.

Nebenwirkungen von Corona in Nairobi?

Nun, zum einen die üblichen, wie auf der restlichen Welt auch: Hamsterkäufe von Klopapier. Ich habe die aktuellen Erkenntnisse deutscher Virologen gelesen, die davon berichten, dass 30 % der erkannten Fälle mit minderschwerem Verlauf auch von Durchfall betroffen sind. Ich bezweifele allerdings, das diese Erkenntnis sich gleich dermassen im Kaufverhalten niederschlägt oder niederschlagen muss.

Schon über’s Wochenende wurde DCI – das „Directorate of Criminal Investigations“ – in Kenia tätig um einen, der Fakenews verbreitete, zu verhaften.

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Mit solchen Verhaftungen geht auch immer ordentlich Social Media Geklingel einher (was der Unschuldsvermutung nicht immer wirklich zuträglich ist). Man konnte schon den Eindruck gewinnen, dass es in dem Fall darum ging möglichst schnell und recht dramatisch eine Präzedenzfall zu schaffen um solches Treiben von Anfang an zu unterbinden. Ein paar Ungereimheiten in der Berichterstattung liessen sogar den Schluß zu, dass die komplette Nummer inszeniert gewesen sein könnte um „Ruhe ist die erste Bürgerpflicht“ herbei zu führen.

Um die finanzielle Situation einiger Familien und kleinerer Unternehmen zu entspannen, aber auch um Bargeld (als potentiellen Krankheitsüberträger) aus dem Spiel zu nehmen wurden die Transaktionsgrenzen auf M-PESA hochgedreht.

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SMS Werbung für "Softloan" als Corona Überbrückung

Die ersten Angebote für Kurzzeitüberziehungskredite trudeln zwischenzeitlich per SMS auf meinem Handy ein. Nichts kann in Kenia so schlimm sein, als dass sich nicht noch ein Geschäft daraus generieren lässt.

Ich warte noch auf die Corona Parties. Es wird sie geben. Ich bin mir sicher. Intelligenz ist wie sich gerade weltweit zeigt keine Frage von Alter, Herkunft, Hautfarbe oder Religion.

Die Situation für mich als Deutscher?

Zunächst einmal bin ich ganz fröhlich mit der Kommunikation, die das Auswärtige Amt und die Botschaft in Nairobi betreiben. Über die ELEFAND Liste tauchen im Moment im Tagesrhythmus Statusupdates zu Corona in Nairobi in meiner Mailbox auf. Via Twitter gibt’s sogar noch weitere Aktualisierungen.

Die Anweisung möglichst fix nach Hause zu reisen und sogar der Einsatz von Sonderfliegern erscheint mir – Stand heute, nur für mich betrachtet – aber übertrieben. Warum sollte ich mich von einem derzeit sehr moderat betroffenen Land in ein komplett runtergefahrenes Deutschland begeben? Selbst-Quarantäne hab ich hier eh schon. Unser Homeoffice ist ausreichend gut ausgestattet um alle anfallenden Arbeiten erledigen zu können und am Wochenende haben wir die Lebensmittelbestände für die nächsten 14 Tage hochgefahren. Interessanterweise schaut dann so ein Einkaufswagen immer noch recht normal aus.

Die Einschätzung könnte sich unter den oben beschriebenen Umständen aber recht schnell ändern. Meine persönliche, komplett unwissenschaftliche Vorhersage geht von einer 3-stelligen Fallzahl bis zum Ende der Woche aus. Aber ich bin weit davon entfernt in Panik zu verfallen, wie z.B. die, die auf Twitter gerade weltweit sinngemäß „Frauen und Kinder zu erst in die Rettungsboote, Deutsche bitte noch zuvor“ krakelen. Einmal mehr fremdschämen für die eigenen Landsleute.

Update 23.3.2020

Die Zahl der Corona Fälle ist zwischenzeitlich bei 15 angekommen. Alle davon sind nach offiziellen Angaben von außen eingeschleppt worden, sprich: es gibt derzeit noch keinen positiven Fall einer Ansteckung innerhalb des Landes. Insoweit bin ich sehr froh, das meine Einschätzung von 3-stellig schon mal falsch lag. Damit das so bleibt sind zwischenzeitlich ein paar verschärfte Maßnahmen in Kraft getreten:

  • Jeder, der zwischenzeitlich noch ins Land reingekommen ist, steht unter Quarantäne, die auch recht rigoros von den Polizeibehörden überwacht und sanktioniert wird.
  • Ab Mittwoch 24:00 Uhr werden die Internationalen Flughäfen dann ganz dicht gemacht. Deutsche Touristen in Kenia werden über das Rettungsprogramm der Bundesregierung via Mombasa bis dahin noch ausgeflogen. Zum stolzen Preis von 800 € á Person. Plus ein Ticket von Nairobi nach Mombasa. Dafür dass ich mit Leuten in einer Maschine hocke, die ggf. in den Bettenburgen selbst was ausgefasst haben und um anschliessend im Seuchengebiet anzukommen? Danke, aber: Nein, danke!
  • Bars und Kirchen sind ab sofort geschlossen. D.h. das vergangene Wochenende wurde erstmal ungenutzt verstreichen gelassen. Der Freitag entsprechend noch zum gemeinsamen Bechern und der Sonntag zum kollektiven Ablass genutzt.
  • Die Matatus sind angewiesen social distancing durch freie Plätze sicherzustellen. Und in der Tat waren heute die Nissan-Kleinbusse, die normalerweise 14 Leute (inkl. Fahrer und Schaffner) transportieren durchgängig mit „nur“ 8 Fahrgästen besetzt.

Ich bin zwischenzeitlich erstmal auf der einwanderungsrechtlich sicheren Seite. Seit heute prangt der Verlängerungsstempel für weitere 90 Tage legaler Aufenthalt in meinem Reisepass. Bis zum 1.6. kann ich mir relativ entspannt anschauen, wie sich die Lage sowohl in Kenia als auch Deutschland entwickelt und darauf reagieren. Und noch entspannter, wenn der Flugbetrieb wieder halbwegs auf normal ankommen sollte.

3 Kommentare zu „Corona in Nairobi“

  1. Christian Schulz

    Mal ein Gedanke.
    Was wäre wenn das Virus ein normales Grippevirus ist, das die „üblichen“ 1.000 bis 20.000 Toten pro Jahr in Deutschland mitbringt?
    Welcher Politiker könnte sich jetzt hinstellen und sagen, ok 20.000 Tote sind normal, das nehmen wir hin?
    Der Zug es zu ignorieren ist abgefahren, jetzt ist nur noch „Panik“ möglich.
    Das macht die Beurteilung unmöglich.

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