Ich bin mir die letzten Tage und Wochen sehr bewusst worden, wie priviligiert ich bin. Stay at Home war für mich noch nie ein wirkliches mentales Problem. Warum sollte es nun in Nairobi zu Coronazeiten eines werden? Und mein Job ist prädestiniert für HomeOffice. Schon immer war in meinem Wohnungen ein Arbeitsplatz fest eingebaut und spätestens mit der Selbstständigkeit (seit mehr als 20 Jahren, wie mir zwischendurch mal selbst bewusst wurde) gab es ein festinstalliertes Büro mit allem PiPaPo. Das meine Freundin als Unternehmens- und Politikberaterin in einer ähnlich luxuriösen Situation ist und wir damit sogar zwei Einkommen verfügen lässt uns einigermassen beruhigt schlafen.
Richtig bewusst wurde mir das nochmal als einer meiner Kunden und Freunde (sogar mit eigener Afrikaerfahrung) nachfragte:
Hi Stefan,
stimmt das, was hier berichtet wird?
https://bnn.de/nachrichten/politik/wegen-corona-lockdown-hungern-in-afrika-millionen-menschen
Um ehrlich zu sein: es fällt mir schwer die Situation in Südafrika, Sambia, Simbabwe, Mosambik und Angola zu beurteilen. Ehrlich gesagt kann ich nicht mal wirklich beurteilen, was im restlichen Land passiert. Schon gar nicht nach dem die landesweite Ausgangssperre von 19:00 bis 5:00 Uhr erweitert wurde. Das Stadtgebiet Nairobi sowie der Küstenstreifen rund um Mombasa (die beiden am meisten betroffen Gebiete) sind zwischenzeitlich von der Außenwelt abgeschottet. Innerhalb der Stadtgrenze gibt es über Tag weitgehende Bewegungsfreiheit, auch wenn darum gebeten wird sich auf die eigenen Nachbarschaft zu beschränken. Aber rein vom oder raus ins Umland ist erstmal nicht um die Ausbreitung einzudämmen.
Stay at Home in Nairobi muss man sich leisten können
Was ich bestätigen kann ist, dass es auch Einheimische gibt, die ähnlich wie wir komfortabel von zu Hause arbeiten können. Was ich leider ebenso bestätigen kann: es gibt auch das extreme Gegenteil. Wie auch bei uns gibt es die notwendigen Arbeitskräfte, die wenig Auswahl haben: Krankenhaus- und Pflegepersonal, Supermarktkräfte und die unvermeidlichen Sicherheitskräfte. Und sehr viel extremer wird es bei sehr vielen „informellen“ Unternehmen. Die Klein- und Kleinstbetriebe die auf die täglichen Umsätze angewiesen sind. Die BodaBoda (Mopedtaxi) Guys, die Mama Mboga, die auf der Straße Obst und Gemüse verkauft leben alle sprichwörtlich von der Hand in den Mund.
Kenianer sind tief in ihrem Inneren aber sehr solidarische Menschen. Es ist komplett üblich und normal im Familienkreis (und der reicht manchmal sehr weit) sich gegenseitig finanziell zu unterstützen. Gerade in Krisensituation von Krankheit und Tod öffnen sich die Herzen und die Portemonnaies. Aber gegenseitige Hilfe endet nicht mit Verwandtschaftsverhältnissen. Auch den weniger priviligierten kommt dieser Tage Hilfe zu teil.
Hilfe zum Stay at Home
In Kibera gab es bereits Verteilaktionen von Lebensmitteln. Die Spanne reicht dabei von wirklich anonymen Wohltätern, die keinen großen Bohei um ihre Sach- oder Geldspenden machen bis hin zu profilneurotischen Politikern. Der Stadtgouverneur von Nairobi – ein verurteilter Drogendealer, notorischer Blender und Möchtegern Gangster-Rapper – z.B. entblödete sich nicht seinen Hilfspaketen ein paar kleine Fläschchen Brandy beizufügen, weil „die WHO Alkohol zur Desinfektion empfiehlt“.
Andere stellen sicher, dass auf verteilten Hilfslieferungen ihr Konterfei prangt – auch wenn Sie herzlich wenig zum Zustandkommen dieser Lieferung beigetragen haben, sondern diese z.B. von Unternehmen geleistet wurden.
Spass Ende!
Das mag noch zur Erheiterung in ernsten Zeiten beitragen. Die meisten wissen auch einzuschätzen, dass es neben der Hilfe auch um Wahrnehmung mit Blick auf die in zwei Jahren anstehenden Wahlen geht. Der Spaß endete aber mit einer äußert unrühmlichen Aktion, die dem Vizepräsidenten der Republik zugeschrieben wird (der danach aber eilig um ein Dementi bemüht war). Die Verteilung von Hilfsgütern lief komplett aus dem Ruder und endete im Chaos, samt Verletzten. Gut gemeint, aber nicht gut gemacht.
Die offizielle Reaktion darauf, neben Knüppeln und Tränengas zur Wiedererlangung der Kontrolle war eine zentrale Regierungsinstitution, wo Hilfe eingesammelt werden soll. Mit der üblichen sehr unklaren Lage, wer dann wirklich profitiert. Die Maßnahmen zur wirtschaftlichen Abmilderung der Krise (Steuersenkungen z. B. -2 % Punkte Mwst) kommen bei den kleinen Leuten kaum bis gar nicht an. Die leben normalerweise von z.T. weniger als 2 €/Tag. Da machen die ein, zwei Sh weniger aufs Ugali (Maismehl) kaum einen Unterschied. Und Einkommenssteuer haben die vorher schon keine gezahlt.
Hilfe die wirklich ankommt
Ein weiterer Aspekt, der bei allem Wohlwollen mit der Bereitstellung von Reis, Mehl, Ugali, Zucker und Öl gerne übersehen wird: den Empfängern wird die Möglichkeit genommen, sich die Dinge zu beschaffen, die sie wirklich brauchen. Medikamente habe ich auf keiner Verteilliste gesehen. Von der Entwürdigung bei den Verteilstationen (z.T. ohne „social distiancing“) anzustehen mal ganz zu schweigen.
Schwer beeindruckt hat mich daher Jerotich Seii. Eine Aktivistin, die bislang durch Aktionen rund um Kenya Power und deren undurchsichtige Stromabrechnung aufgefallen ist. Erfreulicherweise sehe ich auch nicht, das die Regierung dieses Engagement – entgegen der offiziellen Linie – irgendwie unterbindet:
Die 2000 Sh. die da i.d.R. an eine Familie ausgegeben wird, hält diese knapp 2 Wochen am Laufen. Wenn noch ein paar spärliche Einnahmen in der Familie selbst dazukommen auch länger. Eine einfache und effektive Hilfe, die einmal mehr die Notwendigkeit eines Bedingungslosen Grundeinkommens aufzeigt.
Und was wäre wenn ihr auch helft?
So, jetzt kommt etwas, was ich in meinem (doch recht lange und einigermassen bunten und erfüllten) Leben noch nicht oft gemacht habe: ich frage Euch nach Geld. Nicht für mich. Aber genau für diese oben beschriebenen kleinen Leute in Kenia. Oder um es mit dem Gouverneur von New York zu sagen: „None of us had done enought. We haven’t … because it’s not over“:
Was hilft es die Menschen vor Corona zu isolieren, wenn sie anschliessend aufgrund dieser Isolation verhungern. 2000 Shilling sind umgerechnet nicht mal 20 €. Auch in engen Zeiten wie diesen für die meisten von uns immer noch „Kleingeld“. Einmal Gasthaus zum Goldenen M mit der Freundin weniger. Oder eine Tankfüllung vom Motorrad, das im Moment besser eh nicht bewegt werden sollte um im Fall der (Un)Fälle kein Intensivbett zu belegen oder (Bayern) nicht mal mehr bewegt werden darf.
Damit nun dieses „Kleingeld“ nicht durch Transferkosten aufgefressen wird, biete ich an, meine vorhandene Infrastruktur um Geld von Deutschland nach Kenia zu bekommen nutzbar zu machen. Ich verwende seit einiger Zeit sehr erfolgreich Transferwise um ein Konto in verschiedenen Währungen führen zu können. Und aus der Erfahrung kann ich guten Gewissens sagen, dass selbst der „langsame“ und preisgünstige Weg samt Banküberweisung noch nie länger als einen Arbeitstag gebraucht hat. Also: wenn ihr Herzen und Portemonnaies öffnen wollt, überweist bitte einen Betrag eurer Wahl auf mein privates Konto:
Das geht seit gestern alles sehr viel einfacher, weil es dank tatkräftiger Unterstützung von iPay und SlashDotLabs eine Spendenseite gibt:
Neben den div. mobilen Zahlungsmöglichkeiten könnt ihr dort auch direkt mit Eurer Kreditkarte arbeiten und ww. direkt in KES oder USD die Umsätze auslösen.
Wie gesagt: ich stelle Euch frei, welchen Betrag ihr überweisen wollt. Die erwähnten 20 € würde zumindest einer Familie weiterhelfen. Aber es steht Euch komplett frei auch weniger zu spenden. Kleinvieh macht bekanntlich auch Mist. Und ebenso dürft ihr auch sehr gerne mehr einzahlen. Ich werde meinerseits die anfallenden Gebühren tragen, so dass sichergestellt ist, das wirklich jeder von Euch gespendete Euro auch tatsächlich in Kenia ankommt. Eingehende Beträge werden transparent gemacht, aus Datenschutzgründen ohne Namensnennung der Spender, lediglich die Einzelsummen werde ich listen – ihr findet Euch dann sicher wieder ;-). Das gesammelte Geld geht dann komplett an Jerotich Seii, die ihrerseits den Kontakt zu den betroffenen Familien sehr viel besser als ich hat und für eine ordentliche Verteilung sorgt.
Updates
Verdammt seid ihr schnell. Und großzügig. Ganz herzliches Dankeschön!
Buchungsdatum | Betrag |
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21.4.2020 | 100 € |
21.4.2020 | 50 € |
Summe | 150 € |
Ab hier bin aus der direkten Berichterstattung raus. Die aktuellen Zahlungseingänge (gesamt) werden aber von Jerotich Seii auf ihrem Twitter Account regelmässig veröffentlicht. Auf jeden Fall schon mal an die bisherigen Spender auf diesem Wege:
Done! Es ist wie Du schreibst: Es tut uns in D in der Regel nicht weh, etwas zu geben.